Gemeinschaftskunde

Gemeinschaftskunde,Sozialkunde, Politik und Wirtschaft oder Politik sind in den Bundesländern unterschiedliche Bezeichnungen für ein Unterrichtsfach der politischen Bildung, das man etwa ab 1960 an den allgemeinbildenden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland einführte. Darin sollen die Gesellschaft, das politische System sowie die Wirtschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik unter gesellschaftlicher und politischer sowie wirtschafts- und rechtskundiger Bildung beleuchtet und vermittelt werden.

Deutschland

In der Grundschule ist Politische Bildung eine sogenannte Perspektive im Sachunterricht. In der gymnasialen Oberstufe gehört Gemeinschaftskunde wie Geschichte und Erdkunde zum gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld und muss in vielen Bundesländern zwei oder vier Halbjahre lang belegt werden. Zwar gehört die politische Bildung zur im Grundgesetz festgehaltenen staatlichen Aufgabe, darauf folgt aber nicht zwingend die Einrichtung eines eigenen Fachs. Nur in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hat politische Bildung als Unterrichtsfach Verfassungsrang.[1] Die Stellung politischer Bildung im Fach muss allerdings insgesamt als schwach bezeichnet werden.[2][3]

Bezeichnungen und Inhalte des Fachs „Gemeinschaftskunde“ sind je nach Bundesland unterschiedlich. Die oben genannten Unterrichtsinhalte decken in den einzelnen Ländern folgende Fächer ab (Stand 2007):

BundeslandBezeichnung und Inhalte
Baden-WürttembergGemeinschaftskunde;

am Gymnasium im Fächerverbund Geographie-Wirtschaft-Gemeinschaftskunde (GWG);

an der Realschule im Fächerverbund Erdkunde-Wirtschaftskunde-Gemeinschaftskunde (EWG);

an der Hauptschule früher Geschichte / Gemeinschaftskunde;

heute in den Fächerverbünden Welt-Zeit-Gesellschaft (WZG) und Wirtschaft-Arbeit-Gesundheit (WAG);

ein eigenständiges Fach Wirtschaft gibt es nur als Neigungsfach in der Kursstufe des Gymnasiums

BayernSozialkunde oder Wirtschaft und Recht
BerlinPolitische Bildung (Klassen 7–10), Politikwissenschaft, Sozialwissenschaften,

Wirtschaftswissenschaft (gymnasiale Oberstufe);[4]

Bezeichnung bis 2005: Politische Weltkunde (PW)

Gesellschaftswissenschaften (Klassen 5 und 6) – vormals eigenständige Fächer: Geschichte, Geografie und Politische Bildung

BrandenburgGesellschaftswissenschaften (Klassen 5 und 6), Politische Bildung (Klassen 7–12);

Wirtschaftswissenschaft (gymnasiale Oberstufe)

BremenPolitik; Rechtskunde, Soziologie, Wirtschaftslehre
HamburgGemeinschaftskunde; Politik / Gesellschaft / Wirtschaft (PGW)
HessenPolitik und Wirtschaft (PoWi); Rechtskunde, Wirtschaftswissenschaften (gymnasiale Oberstufe)
Mecklenburg-VorpommernSozialkunde
NiedersachsenPolitik, Politik / Wirtschaft, Rechtskunde, Wirtschaftslehre;

früher: Sozialkunde (bis 10. Klasse); Gemeinschaftskunde (11.–13. Kl.)

Nordrhein-WestfalenGesellschaftslehre, Politik-Wirtschaft, Sozialwissenschaften, Recht
Rheinland-PfalzGeschichte-Sozialkunde als Verbundfach in der Förderschule Lernen (Klasse 5–9)

Sozialkunde in Realschule plus und am Gymnasium (Klassen 7–10)

Sozialkunde bildet zusammen mit Geschichte und Erdkunde das Fach Gemeinschaftslehre (nur in der Integrierten Gesamtschule und optional in der Realschule plus; Klasse 5–10)

Sozialkunde/Wirtschaftslehre in verschiedenen Bildungsgängen/Schulformen an den Berufsbildenden Schulen

Sozialkunde als Leistungskurs in der gymnasialen Oberstufe; als Grundfach im Verbund mit Geschichte oder Erdkunde (Klasse 11–13)

SaarlandPolitik (in der Qualifikationsphase: mit festen Anteilen Geschichte)
SachsenGemeinschaftskunde;

am Gymnasium im Fächerverbund Gemeinschaftskunde / Rechtserziehung / Wirtschaft (GRW);

an der Oberschule im Fächerverbund Gemeinschaftskunde / Rechtserziehung (GR)

Sachsen-AnhaltSozialkunde; Rechtskunde; Wirtschaftslehre
Schleswig-HolsteinWirtschaft / Politik (BG: Gemeinschaftskunde = Geschichte, Politik sowie Gesellschaft)
ThüringenSozialkunde, Wirtschaft und Recht

Österreich

Auch in Österreich gibt es den Unterrichtsgegenstand „Gemeinschaftskunde“ in dieser Form nicht. Seine Ziele und Inhalte sind in anderen Fächern integriert.

Volksschule

In der Österreichischen Volksschule (Grundschule) wird die so genannte Gemeinschaftskunde direkt in den Sachunterricht[5] eingebunden, der neben Geschichte auch noch Themen aus den Naturwissenschaften und dem Weltgeschehen und der Wirtschaftserziehung behandelt. In diesem Fach lernen die Schüler teilweise über das politische System und wichtige Staatsangehörige.

Höher bildende Schulen

An der vierjährigen Hauptschule und an der achtjährigen AHS[6] gibt es Inhalte des Gegenstands „Gemeinschaftskunde“ einerseits in Kombination mit dem Geschichtsunterricht: Das Fach wird seit 1962 als „Geschichte und Sozialkunde“, bzw. „Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung“ unterrichtet. Der Schwerpunkt liegt zwar auf dem Erlernen von geschichtlichen Hintergründen und dem (aktuellen) politischen Geschehen, aber auch auf verschiedenen Aspekten der politischen Bildung. Darüber hinaus werden wichtige Aspekte im Gegenstand Geographie und Wirtschaftskunde vermittelt. Außerdem gibt es an den Österreichischen Schulen ein Unterrichtsprinzip „Politische Bildung“, das alle Fächer wahrnehmen sollen.

An den berufsbildenden Schulen (BHS) der S II, gibt es daneben noch eigene Rechtsfächer. An den Höheren technischen Lehranstalten wurde im Lehrplan 2011 ein Flächenfach „Geografie, Geschichte und Politische Bildung (einschließlich Volkswirtschaftliche Grundlagen)“ verankert. Im Jahr 2016 wurde durch das Inkrafttreten eines neuen Lehrplans Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung Sek I die Politische Bildung ab der 6. Klasse aufgewertet.[7]

Deutschsprachige Schweiz

In der Schweiz wird das Fach meist mit dem Geschichtsunterricht kombiniert und hat daher meist Geschichte und Sozialkunde geheißen. Neben den historischen Hintergründen wird auch das aktuelle politischen Geschehen thematisiert. Inzwischen ist er im Lehrplan 21 (ab 2016) in das Integrationsfach Räume – Zeiten – Gesellschaft (RZG) integriert, in das noch die Erdkunde eingeht.[8] In den Volksschulen (Grundschule) ist das Fach in den Sachunterricht integriert.

Siehe auch

Literatur

  • Sibylle Reinhardt Politikdidaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II Cornelsen Verlag Berlin 2007, ISBN 978-3-589-22051-9.
  • Wolfgang Sander (Hrsg.): Handbuch politische Bildung. Wochenschau Verlag, Schwalbach/Taunus 2005, ISBN 3-89974-099-8.
  • Dagmar Richter (Hrsg.): Politische Bildung von Anfang an. Demokratie-Lernen in der Grundschule. Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Taunus 2007, ISBN 978-3-89974-358-6.
  • Georg Weißeno u. a. (Hrsg.): Wörterbuch politische Bildung. Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Taunus 2007 ISBN 978-3-89974-248-0.

Fußnoten

  1. Steve Kenner: Politische Bildung – Bildungsaufgabe mit Verfassungsrang? In: Demokratie, Demokratisierung und das Demokratische: Aufgaben und Zugänge der Politischen Bildung (= Bürgerbewusstsein). Springer Fachmedien, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-29556-1, S. 31–48, doi:10.1007/978-3-658-29556-1_3.
  2. Joachim Detjen: Bildungsaufgabe und Schulfach | bpb. Abgerufen am 28. März 2020.
  3. Politikunterricht im Vergleich – Forscher: Einige Bundesländer vernachlässigen politische Bildung. Abgerufen am 28. März 2020 (deutsch).
  4. Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung: Auf Kurs zum Abitur. Wegweiser für die gymnasiale Oberstufe. Schuljahr 2008/2009 (Memento vom 6. März 2009 im Internet Archive) (PDF; 574 kB)
  5. Schunterrichts-Lehrplan auf Webseite des Unterrichtsministeriums in Wien (Memento vom 3. November 2014 im Internet Archive)
  6. Lehrpläne auf Webseite des Unterrichtsministeriums in Wien (Memento vom 16. März 2015 im Internet Archive)
  7. Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule. Abgerufen am 28. März 2020.
  8. https://www.researchgate.net/publication/336924347_Das_Integrationsfach_Raume-Zeiten-Gesellschaften_auf_der_Sekundar-stufe_I_in_der_Schweiz_Fachwissenschaftliche_und_fachdidaktische_Fragen_im_Grenzbereich_von_Geographie_und_Geschichte