Badge-Engineering

Badge-Engineering ist ein Begriff, der hauptsächlich in der Automobil- und Elektroindustrie, sowie im Lebensmittelbereich Anwendung findet. Der aus dem Englischen stammende Begriff beschreibt das Gegenstück zum Original Equipment Manufacturer, dem eigentlichen Entwickler/Hersteller. Ein Produkt wird zuerst von einem solchen Erstausrüster entwickelt und hergestellt. Beim Badge-Engineering wird dann die Vermarktung des Produktes von einem oder mehreren anderen Unternehmen übernommen, deren „Ingenieurleistung“ sich darauf beschränkt, ihr Markenemblem (badge) anzubringen. Die Wortwahl ist also (selbst-)ironischer Natur, da es sich um keine wirkliche Ingenieursleistung (Engineering) handelt. Die einzelnen Marken können so mit geringem Kostenaufwand ihre Produktpalette ausweiten. Veränderungen und optische Retuschen am Produkt sind oft nur minimal.

Dabei gibt es hauptsächlich zwei Arten:

  • Ein unbekanntes Unternehmen entwickelt ein Produkt und stellt es her, wonach ein bekanntes Unternehmen nur noch sein Logo/Badge darauf klebt.
  • Ein bekanntes Unternehmen entwickelt ein Produkt und stellt es her, wonach z.B. ein Discounter das Logo/Badge seiner unbekannteren Eigenmarke darauf klebt.
    Parallel dazu vermarktet der bekannte Hersteller das Produkt auch unter seinem eigenen Namen.

Automobilbau

Vor allem bei US-amerikanischen und britischen Herstellern hat das Badge-Engineering eine lange Tradition. Im Vereinigten Königreich boten besonders die BMC und die Rootes-Gruppe gleiche Fahrzeugkonzepte mit nur geringen Änderungen unter verschiedenen Namen an.

BMC verkaufte den Typ ADO 16 unter anderem als Morris 1100, MG 1100, Vanden Plas Princess, Austin 1100, Wolseley 1100 und Riley Kestrel auf dem britischen Markt und ließ ihn in Lizenz in Italien als Innocenti und in Spanien als Authi fertigen. Der Rootes Arrow lief 1969 unter acht verschiedenen Bezeichnungen vom Band: als Hillman Hunter und Minx, Singer Gazelle und Vogue, Humber Sceptre und Sunbeam Rapier, Alpine und H 120. Auch Jaguar und Rolls-Royce hatten ihre Aliasnamen, bei Jaguar ist das Daimler und bei Rolls-Royce Bentley.

Auch bei den großen US-amerikanischen Fahrzeugherstellern wie dem General-Motors-Konzern (GM) gehört Badge-Engineering zum Produktkonzept: auf dem US-Markt trat GM unter anderem als Chevrolet, Buick, Oldsmobile, Pontiac und Cadillac auf, wobei nicht alle Modelle unter allen Marken angeboten wurden und die scheinbare Konkurrenz sich nicht über alle Marken erstreckte. Ähnlich verhält es sich mit Ford mit seinem Nobelableger Lincoln und dem Chrysler-Konzern mit den Marken Chrysler, Dodge, DeSoto und Plymouth.

General Motors’ Tochterfirmen Vauxhall und Holden bringen in Europa und Australien fast identische Modelle mit Rechtslenkung auf den Markt, die mit Linkslenkung als Opel verkauft werden.

Außerdem war der in Deutschland gebaute Opel Omega zeitweise in den USA als Cadillac Catera erhältlich. 2007 bis 2009 wurde der Opel Astra H in den USA unter der Marke Saturn verkauft. Der Opel Kadett E lief in Brasilien bis 1998 als Chevrolet Kadett vom Band und war zu Zeiten seiner Vermarktung in Europa unter anderem als Pontiac LeMans (Nordamerika) und als Daewoo Racer (Asien, Osteuropa) erhältlich. Dies trifft bei General Motors auch auf die Vermarktung von Isuzu-Modellen zu.

Ein weiteres Beispiel sind die Transporter und Minivans des französischen Autoherstellers PSA, die in Kooperation mit Fiat von Sevel produziert werden. Der Transporter wird als Fiat Ducato, Citroën Jumper und Peugeot Boxer verkauft, der Kleintransporter heißt Fiat Scudo, Citroën Jumpy oder Peugeot Expert, die Vans laufen als Fiat Ulysse, Citroën C8, Peugeot 807 und Lancia Zeta vom Band.

Eine ähnliche Zusammenarbeit besteht zwischen Renault, Nissan und Opel. Deren Transporter laufen seit längerer Zeit nicht mehr nur als Renault Trafic und Master, sondern auch als Opel Vivaro und Movano vom Band. Seit 2003 gibt es sie auch noch als Nissan Primastar und Interstar zu kaufen. Der Mercedes-Benz Citan ist aus dem Renault Kangoo (Typ W, seit 2008) abgeleitet.

Die Elektro-Kleinstwagen Mitsubishi i-Miev, Citroën C-ZERO und der Peugeot iOn sind fast baugleich; die Innenausstattung variiert leicht.

Der Fiat Freemont ist fast baugleich mit dem Dodge Journey.

Aus dem Kleinwagen Audi 50 (1974–1978) entstand der weitestgehend baugleiche VW Polo I (1975–1981). VW Sharan I, Ford Galaxy I und Seat Alhambra I waren fast baugleich.

Seit vielen Jahren wird der Mercedes-Benz Sprinter auch als VW LT, VW Crafter, Dodge Sprinter und Freightliner Sprinter gebaut.

VW Lupo und Seat Arosa sind weitgehend baugleich; ebenso VW up!, Seat Mii und Škoda Citigo.

Weitere Beispiele im Artikel Plattform (Automobil).

Elektronik- und Elektrogeräte

Mehrere Unternehmen wie Harman Becker Automotive Systems (im Bereich Auto-HiFi und -Navigation, zum Beispiel für Mercedes-Benz) oder BSH Hausgeräte stellen Produkte her, die unter zahlreichen Labels und weitgehend baugleich vermarktet werden. Einige asiatische (z.B. türkische oder chinesische) Unternehmen haben die Rechte von eingeführten Marken gekauft (z.B. Telefunken), um neben der anonymen Zuarbeit für andere Unternehmen auch selbst als Hersteller auftreten zu können.

Lebensmittel

Vor allem im Discounter-Bereich werden Produkte unter Handelsmarken angeboten, die von etablierten Herstellern mit Verpackungen zugeliefert werden, die von der markenbekannten Produktpalette abweichen, aber in den meisten Fällen identische Qualität haben. Bei Aldi werden zum Beispiel Lebensmittel von Bahlsen und Zentis als Eigenmarken verkauft. Zunehmend lassen Discounter aber auch ihre Eigenmarken-Produkte in eigenen Fabrikationsanlagen oder von vertragsgebundenen Subunternehmen herstellen.

Bekleidung

Seit dem 19. Jahrhundert gibt es Sweatshops, die für renommierte Unternehmen billig Kleider und Schuhe produzieren; häufig unter inhumanen Bedingungen. Zuerst waren diese kleinen Zulieferer in der Nähe der Abnehmer, inzwischen aber fast ausschließlich in Niedriglohnländern vorwiegend im asiatischen Raum. Die Fertigungstiefe bei diesen Zulieferern ist inzwischen so hoch, dass das Unternehmen des Markeninhabers viele Produkte ohne weitere Bearbeitung vermarkten kann. Zunehmend werden auch hier (wie im Elektronikbereich) verschiedene Unternehmen von einem Zulieferer bedient, der dann bereits vor Ort das Badge Engineering durch die Applikation von Markenzeichen, kleinen Design-Unterschieden und entsprechender Verpackung vornimmt.

Musikinstrumente

Etwa seit den 1960er Jahren lassen bekannte Markeninhaber wie Fender, Yamaha Corporation oder Ibanez teilweise Gitarren, Bässe und Verstärker von weitgehend unbekannten Herstellern wie dem japanischen Unternehmen Fujigen mit dem jeweils eigenen Label fertigen.

Siehe auch

Literatur